Da die letzten zwei Wochen hier sehr ereignisreich und turbulent waren und wir für über 2 Wochen kein WLAN im Office hatten, waren die Umstände für meine Blogeinträge etwas schwierig. Deswegen jetzt ein verspätetes Update über die letzten Wochen:
Das lange Wochenende vom 23.-25.09 spülte Tausende von Menschen nach Ponta. Die Straßen waren so voll mit Autos, dass man zwischenzeitlich nicht einmal mehr dort laufen konnte.
Gerne, hätte ich diese Eindrücke auch auf Bildern festgehalten. Doch an diesem Wochenende war es ganz ratsam sein Handy sicher verstaut in der Tasche zu lassen, sobald man sich auf der Straße befand.
Etwas außerhalb von Ponta d'oro fand ein großes Festival statt.
Doch auf Grund vieler Warnungen von Locals, gingen wir erst gar nicht hin. Zwar traten dort viele relativ bekannte Künstler auf und es wäre bestimmt sehenswert gewesen. Aber die Gerüchte und Berichte, die man über Unfälle und weitere Zwischenfälle, während des Festivals, nun gehört hat, haben gezeigt, dass es definitiv die richtige Entscheidung gewesen ist, daheim zu bleiben.
Immer mehr Deutsche...
Witziger Weise tauchen hier immer wieder weitere Deutsche auf, weshalb wir oft einen wilden Mix aus Deutsch, Englisch und gebrochenem Portugiesisch sprechen. Die letzten beiden Wochenden waren auch ein paar weitere deutsche "weltwärts"- Freiwillige bei uns in Ponta zu Besuch.
Es ist echt schön, sich gegenseitig austauschen zu können und zu sehen, dass man mit den Gedanken und Problemen, die eben so aufkommen, nicht alleine ist.
Wir waren auch gemeinsam feiern. Und es war krass wahrzunehmen, wie man sich, vielleicht auch automatisch, separiert oder separiert wird, wenn man als Gruppe ausschließlich Weißer feiern geht.
Das hat mich auch schon sehr zum Nachdenken gebracht. Denn natürlich haben wir hier durch die vielen Touris und auch die Nähe zu Südafrika sowieso einen sehr internationalen Bekanntenkreis.
Hier leben viele Brasilianer, Portugiesen und auch sehr viele Südafrikaner. Dadurch sind wir bei weitem auch nicht die einzigen Weißen in unserem Freundeskreis.
Natürlich merken wir hier auch oft im Alltag, wie unterschiedlich man aufgrund seiner Hautfarbe behandelt wird. Mal hat das positive, mal hat das negative Auswirkungen für uns. Diese Erfahrungen sind super wichtig und ich glaube, es ist essenziell sich darüber Gedanken zu machen, aber vor allem auch darüber auszutauschen.
Vorurteile und Stereotypen...
... Das ist natürlich ein super heikles Thema. Doch es ist ein Thema was mich hier logischerweise viel begleitet.
Zum einen, weil ich es hier selbst erlebe. Menschen haben eine gewisse Grundhaltung zu jemandem den sie zum ersten mal treffen, aufgrund des äußeren Erscheinungsbilds. Das ist auch völlig normal.
Was für mich dann die letzten Wochen sehr spannend war, war das wilde Rätselraten über meine Wurzeln.
Natürlich sehe ich, auch ohne Braids, nicht aus, wie man sich eine "typische" Deutsche vorstellt. Gerade wegen meiner schon immer etwas dunkleren Hautfarbe.
Und tatsächlich merke ich, wie die Menschen ab und an ihr Verhalten mir gegenüber ändern, sobald sie mit mir ins Gespräch kommen und merken, dass ich keine Brasilianerin, Südafrikanerin oder Einheimische bin, sondern Deutsche. Was ein zienmich bizarres Gefühl in mir auslöst.
Die Vorurteile und "vorgefertigten" Bilder, die in den Köpfen aller Menschen tatsächlich irgendwie immer verankert sind, unabhängig von der Abstammung, beeinflussen zwar nicht nur interkulturelle Begegnungen. Aber hier zeigt es sich natürlich am stärksten.
Auch ich merke, dass meine kulturelle Brille, also wie ich Dinge aufgrund meiner Prägung wahrnehme, oft Einfluss auf mein Verhalten anderen Menschen gegenüber hat. Ich glaube, dass man das nie 100% abstellen werden kann.
Aber meiner Meinung nach, geht es gerade deshalb darum, sich dafür zu sensibilisieren, sich die Offenheit zu bewahren und nicht zu verallgemeinern. Auch bei negativen Erfahrungen.
Insgesamt bin ich super dankbar für all die Freundschaften, die ich hier schon schließen durfte und für die vielen Kulturen und Länder, die ich so näher kennenlernen kann. Aber ich muss auch sagen, es hilft mir hier enorm, dass ich auch mehrere deutschsprachige Freunde hier habe. Das ist natürlich ein "Luxus", den nicht jeder Freiwillige hat und der einen auch schon ein bisschen bequem macht. Gerade was Portugiesisch lernen anbetrifft ;)
Mir ist aber auch im allgemeinen wichtig zu sagen, dass ich nicht alle Menschen auf Instagram oder anderen Plattformen zeige/ zeigen will, mit denen ich viel Zeit verbringe. Deswegen sollten keine Rückschlüsse auf unseren Freundeskreis hier gezogen werden, aufgrund der Bilder die ich poste.
Heimweh, Geburtstag& Co
Ich glaube, dass ich mich hier mittlerweile im Großen und Ganzen wirklich sehr wohl fühle. Deswegen würde ich nicht von Heimweh sprechen. Dennoch fühlt man sich manchmal, trotz all der zahlreichen Kontakte, irgendwie alleine.
Ich merke, dass ich gerade in einer Phase bin, wo ich mich schon sehr davor scheue Zeit alleine zu verbringen. Dabei brauche ich die eigentlich oft ziemlich dringend.
Wenn mal wieder ein paar kleine Dinge schief laufen kommt natürlich der Gedanke: "Puh in Deutschland wäre das nicht so."
Aber das ändert nichts daran, dass ich mir momentan eigentlich gar nicht vorstellen kann wieder nach Deutschland zu ziehen.
Auch an meinem Geburtstag, der natürlich ganz anders als gewohnt verlief, empfand ich, zu meiner Überraschung, kein wirkliches Heimweh.
Das Einzige, was ich aktuell merke ist, dass ich, sobald ich emotional überfordert bin, mir wünsche, meine "alten Probleme" aus Deutschland zurück zu haben. Einfach, weil ich diese "gewohnt" war.
Denn auch wenn ich es mir vielleicht anders erhofft habe, so legt man bestimmte Verhaltensmuster und Triggerpunkte, etc. ja nicht ab, nur, weil man auf einen anderen Kontinent zieht. Doch ich weiß, dass dieses Jahr genau da ein riesiges Wachstumspotenzial für mich bietet.
Einer dieser Triggerpunkte wurde die letzten Tage bei mir extrem getroffen.
Am vergangenen Wochenende wurde ein Bericht über eine Gruppenvergewaltigung, keine zwei Straßen von unserem Haus entfernt, bekannt.
Seitdem werden wir Mädchen noch mehr dazu angehalten, am besten gar nicht mehr alleine herumzulaufen. Vor allem nicht nach Einbruch der Dämmerung.
Ich merke, dass ich das nicht mal richtig an mich heranlasse. Hinzukommt, dass es sich so unvorstellbar anfühlt, weil ich mich hier eigentlich relativ sicher fühlte. So ist es auf jeden Fall nicht einfach, solche Berichte richtig einzuordnen und auch einzuschätzen.
Um all die Eindrücke zu verarbeiten...
...hilft mir Tagebuch schreiben, wovor ich mich momentan aber oft ein bisschen drücke. Beziehungsweise ich es auch gar nicht schaffe mir die Zeit wirklich zu nehmen.
Aber ich merke auch, wie wichtig es ist, kontinuierlich in meine Beziehung zu Gott zu investieren. Ich hatte die ersten Wochen hier eine unfassbar intensive Zeit mit Gott. Doch je mehr Leute ich hier kennenlernte, desto mehr rückte das oft ein wenig in den Hintergrund.
Es ist normal, dass diese Phasen kommen, das weiß ich. Gerade weil ich ein extremer Phasenmensch bin.
Doch ich merke, dass ich trotzdem immer wieder Gottes Nähe suchen darf. Und auch, wie viel Frieden ich über Dinge, die mich stressen, von ihm geschenkt bekomme. Wenn ich Bibel lese, bete, faste und in den Gottesdienst gehe.
Oft kostet mich das wirklich viel Überwindung. Vielleicht gibt es immer "coolere" Optionen, als jetzt in die Gemeinde zu gehen oder sich Zeit zum Bibel lesen und Beten zu nehmen. Aber den Frieden, die Freude und Dankbarkeit, die ich nur durch Gott bekomme, ist das, was mich letztlich auch durch die letzten Tage getragen hat.
Ich glaube, ich könnte noch sehr viel über die vergangenen Wochen schreiben. Und das ist jetzt tatsächlich wesentlich persönlicher geworden, als beabsichtigt.
Aber ich finde es wichtig, auch nicht nur die aufregenden und wunderschönen Seiten von meinem Aufenthalt hier zu beleuchten. Es passiert super viel mit dem ich etwas zu kämpfen habe, gerade auch auf emotionaler Ebene, was ebenso wert ist geteilt zu werden. Vielleicht ist es sogar wichtiger.
Natürlich könnte ich auch von unserem Haus erzählen. Wo wir ab und an kein fließendes Wasser haben, das Badlicht den Geist aufgegeben hat und, seit dem starken Regen letzte Woche, eine Wand feucht ist. Aber das sind Lebensumstände, die mich tatsächlich sehr wenig beschäftigen und auch wirklich nicht sonderlich beeinträchtigen. Was ich vor 2 Monaten in Deutschland vermutlich auch niemals gedacht hätte.
Aber der Mensch ist eben sehr anpassungsfähig und ich merke, wie wenig Probleme ich damit habe, so "einfach" zu leben.
Até logo, Rebecca
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